STUTTGART: Wohnraum in der Region Stuttgart ist knapp und teuer, vor allem im Zentrum der Region! Bis 2030 soll die Bevölkerung ausgehend vom Jahr 2012 um 85.000 Einwohner wachsen auf 2,732 Millionen, jedenfalls nach den Berechnungen des Statistischen Landesamtes. Nach der jüngsten Vorausrechnung von dieser Woche sollen bis 2030 sogar weitere 94.000 Personen dazukommen. Und was macht der Verband Region Stuttgart?
„Er unterbreitet Vorschläge, wie wir die Entwicklung von Wohnraum effizienter machen können, ohne uns dabei von erprobten regionalplanerischen und städtebaulichen Prinzipien der Siedlungsentwicklung abzukehren“, führte Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling aus. Denn „das Thema ist eine andauernde Herausforderung, hat sich in den letzten Jahren zugespitzt und jüngst über die Flüchtlingszuwanderung einen neuen Aspekt hinzubekommen.“ Was sich bei den Beratungen zum Haushalt 2016 abzeichnete, bestätigte die heutige Diskussion im Planungsausschuss über die Regionalplanung und Bevölkerungsentwicklung. Das Thema Wohnen, konkret die Bereitstellung von Wohnbauflächen, hat eine hohe Priorität auf der regionalpolitischen Tagesordnung. Und die Grundsätze des Regionalplans gelten, jedenfalls für die große Mehrheit der Fraktionen und Gruppen.
Planungsdirektor Thomas Kiwitt unterstrich: „Die Region ist zu dynamisch für ungeplante Zufallsstandorte. Wir haben den Handlungsbedarf erkannt. Der Bedarf an neuen Wohnungen muss aber an geeigneten Standorten erfolgen.“ Im ersten Quartal möchte er ein Konzept für eine Veranstaltung sowie die Ergebnisse unterschiedlicher Untersuchungen vorlegen. Es geht unter anderem darum, Hemmnisse für Kommunen bei der Bebauung von Wohnbauflächen zu ergründen, die bestehenden Wohnbauschwerpunkte zu überprüfen und möglicherweise weitere zu finden.
Rein rechnerisch bietet der Regionalplan Flächenreserven für etwa 190.000 Einwohner. Auf dem Papier müssten also genug Flächen vorhanden sein, um Wohnraum für einen Einwohnerzuwachs in der prognostizierten Größenordnung bis 2030 anzubieten. Im Bereich Stuttgart klappt das allerdings nicht. Hier sollen die Einwohnerzahlen um 47.000 zulegen, der Wohnraum reicht aber nur für ein Einwohnerplus von rund 35.000.
Preisgünstiger Wohnraum im Kern der Region ist gefragt
Es gibt weitere Gründe, die zu einer hohen Nachfrage, vor allem nach preisgünstigem Wohnraum führen:
Erstens hat die Entwicklung des Wohnungsmarktes in der Vergangenheit mit der Bevölkerungsentwicklung nicht Schritt gehalten. So hat die Bevölkerungszahl von 2011 bis 2014 um 3 Prozent zugelegt, der Wohnungsbestand aber nur um 1,7 Prozent.
Zweitens: ist die Region Stuttgart eine klassische Zuwanderungsregion und sie muss es bleiben, allein deshalb, um den Bedarf an Fachkräften zu decken. Ohne Zuwanderung von außen würden 2030 gegenüber 2012 gut 176.000 Fachkräfte fehlen. Die Zuwanderungen in die Region Stuttgart sind stark an die wirtschaftliche Lage gekoppelt. Wenn die Wirtschaft brummt, kommen also mehr Menschen in die Region Stuttgart. „Das macht eine Prognose der Bevölkerungsentwicklung eher schwierig“, sagte Thomas Kiwitt. Aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage kamen in den letzten fünf Jahren deutlich mehr Zuwanderer, zu 79 Prozent aus dem Ausland. Unterm Strich verzeichnete die Region Stuttgart einen Zuwachs von 47.000 ausländischen Zuwanderern im Zeitraum von 2011 bis 2013. An der Spitze der Herkunftsländer liegen Rumänien, Griechenland, Polen, Italien und Ungarn.
Drittens: Der aktuelle Zuzug vieler Flüchtlinge verstärkt diesen Trend.
Viertens: Planerisch gesicherte Flächen, zum Beispiel in den Flächennutzungsplänen, werden nicht für den Wohnungsbau aktiviert. Gründe dafür gibt es viele, wie Hindernisse beim Flächenerwerb, Vorbehalte der Bevölkerung oder nicht ausreichend vorhandene Infrastruktur.
Zuwachs ja, aber kein Wildwuchs
Der Regionalplan sieht in allen Gemeinden einen Flächenzuwachs vor, allerdings sollen neue Wohnungen bevorzugt in Städten und Gemeinden entlang der S-Bahn-Linien („Entwicklungsachsen“) entstehen oder in den 41 regionalen Wohnungsbauschwerpunkten. „Dort sind noch beachtliche Kapazitäten vorhanden“, sagte Thomas Kiwitt. So gebe es 450 Hektar an unbebauten Flächen, von denen 390 Hektar kurzfristig aktiviert werden könnten - Potenzial für 30.000 Einwohner.
Gerade bei den regionalen Wohnungsbauschwerpunkten müssten „Entwicklungshindernisse“ identifiziert und schnell beseitigt werden. Die Erschließung von Bauflächen sei nun mal zu 100 Prozent Angelegenheit der Kommunen. „Die Flächen im Regionalplan müssen von den Kommunen auch abgerufen werden“, brachte es Thomas Kiwitt auf den Punkt. Gegebenenfalls müssten weitere geeignete regionale Wohnbauschwerpunkte ausgewiesen werden. In Städten und Gemeinden stört man sich immer wieder an den regionalplanerischen Vorgaben zur Bruttowohndichte in den regionalen Wohnbauschwerunkten. Sie tragen einem möglichst sparsamen Umgang mit Flächen Rechnung, werden mit 90 Einwohnern pro Hektar aber als zu hoch empfunden und deshalb kritisiert. Dabei gebe es positive Beispiele für verdichtetes Wohnen, so Kiwitt. Auch die Potenziale aus den bereits beschlossenen Flächennutzungsplänen müssten aktiviert werden.
Jürgen Lenz (CDU) verwies auf die neueste Vorausrechnung des Statistischen Landesamtes, die nun aufbereitet werden müsse. „Unser Ziel ist es, Wohnungsmangel generell zu beseitigen und mehr Wohnungen zu bauen.“ Das Einfamilienhaus könne dabei keine Lösung sein. Es sei notwendig, durch Überzeugungsarbeit in den Kommunen auf ein Umdenken zur Akzeptanz höherer Wohndichten hinzuwirken.
„Die Region soll Vordenker für die Entwicklung von Flächen werden“, forderte Dorothee Kraus-Prause (Grüne). Es müssten Alternativen zur Bebauung mit Eigenheimen gefunden werden. Sie freute sich, dass die Grundsätze der Regionalplanung nicht in Frage gestellt werden.
„Es besteht nicht die Gefahr, dass der Regionalplan auseinandergerissen wird“, stellte auch Matthias Hahn (SPD) fest. Mit dem Regionalplan sei man „gut gewappnet“. Sollten die Flächenpotenziale wider Erwarten nicht ausreichen, müsste im nächsten Jahr nachgesteuert werden. Statt zusätzliche Flächen in Anspruch zu nehmen, sollten mehr Menschen pro Hektar untergebracht werden.
Am Beispiel von Esslingen machte Wilfried Wallbrecht (Freie Wähler) deutlich, dass dort zwar mehr Wohneinheiten gebaut worden seien als nach dem Regionalplan zulässig, doch trotzdem seien Einwohner verlorengegangen. Mit der Zuwanderung der Flüchtlinge in diesem Jahr beginne „eine neue Zeitrechnung“. „Die Struktur des Regionalplans stimme, die Messlatte allerdings nicht mehr.“
Christoph Ozasek (Linke) nannte eine nicht „abgestimmte Wirtschafts- und Sozialpolitik“ als Gründe für Migration. „Es gibt keinen Anlass, dem Druck der Immobilienwirtschaft nachzugeben.“ Strukturschwache Räume in der Region müssten gestärkt werden.
Kai Buschmann (FDP) zeigte sich „nicht glücklich und enttäuscht“ von dem Vorgehen. „Das wird der Situation nicht gerecht“. Auch im ländlichen Bereich sollte mehr Wohnungsbau möglich sein, wenn dort ein Mobilitätskonzept vorhanden sei.
Stephan Wunsch (AfD) stellte fest, dass im Planungsausschuss Bebauungspläne mit viel zu geringen Wohnbaudichten „durchgewunken“ werden.
Pressemitteilung (als pdf-Datei)