In ihrer öffentlichen Sitzung hat die Regionalversammlung gestern über die umfassenden Pläne zur Entwicklung des Gewerbegebiets Rosenloh beraten. Wesentlicher Bestandteil des Projekts ist die Ansiedlung einer Brennstoffzellenfabrik der cellcentric GmbH & Co. KG auf rund 15,5 der insgesamt 30 Hektar. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Regionalversammlung umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen für die Stadt Weilheim an der Teck beschlossen. Diese beinhalten die Absicherung der regionalbedeutsamen Grunderwerbs- und Infrastrukturkosten bis zu einer Höhe von maximal 21 Millionen Euro. Hierzu soll eine vertragliche Vereinbarung mit einer zehnjährigen Laufzeit geschlossen werden.
Hintergrund
Der Prozess zur Ansiedlung des Brennstoffzellenhersteller cellcentric GmbH & Co. KG in einem geplanten neuen Gewerbe- und Industriegebiet in Weilheim an der Teck befindet sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Es zeichnet sich allerdings ab, dass verschiedene Verhandlungen über den Erwerb bzw. Rückkauf von Grundstücken nicht bis zum 31.12.2023 abgeschlossen werden können. Gleichzeitig ist eine Vielzahl von aufschiebend bedingt beurkundeten Ankaufsverträgen auf den 31.12.2023 befristet. Rechtzeitig zuvor muss die Stadt den Bebauungsplan beschließen sowie bekannt machen. Zudem muss sie über den Flächenaufkauf entscheiden und damit eine weitreichende Investitionsentscheidung im Gebiet Rosenloh treffen. Die Stadt Weilheim hat sich an den Verband Region Stuttgart gewandt und aufgrund der regionalen Bedeutsamkeit der Ansiedlung um eine Risikoabsicherung gebeten.
Was wird abgesichert?
Die Regionalversammlung hat entschieden, das anteilige finanzielle Risiko bis zu einer Höhe von maximal 21 Millionen Euro in Form der Übernahme einer Gewährleistung bei der Finanzierung des Gebiets zu tragen. Dies bezieht sich auf den Grunderwerb, die erforderliche Erschließung sowie Neben- und Finanzierungskosten für den regionalbedeutsamen Flächenanteil. Dieser beträgt 57 Prozent der Gesamtfläche. Die restliche Fläche ist für lokale Betriebe und weitere Ansiedlungen vorgesehen. Im Gegenzug werden ausreichend Mitsprachemöglichkeiten bei wesentlichen Fragen der Verwertung der regionalbedeutsamen Grundstücke eingeräumt.
Weiteres Vorgehen
Mit dem Beschluss ist der Weg für die abschließende vertragliche Ausgestaltung der Vereinbarung zwischen der Stadt Weilheim an der Teck und dem Verband Region Stuttgart geebnet. Die nächsten Schritte beinhalten die Beschlussfassung durch den Gemeinderat der Stadt Weilheim und die Abstimmung der kommunalrechtlichen Genehmigungen.
Stimmen der Fraktionen
„Wir befinden uns an einem entscheidenden Punkt in einem Projekt, das weitreichende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Region Stuttgart hat“, so Andreas Koch (CDU/ÖDP). Seit längerem arbeite die Stadt Weilheim darauf hin, ein Gewerbegebiet auf den Weg zu bringen, in dem eine Brennstoffzellenfabrik der Firma cellcentric angesiedelt werden solle. Dabei gehe es darum, einer Schlüsseltechnologie im Hinblick auf eine klimaneutrale Zukunft den Weg zu ebnen, zu beweisen, dass zukunftsweisende Industriepolitik in einem hoch verdichteten Wirtschaftsraum möglich sei und den Stillstand in der Gewerbeflächenentwicklung zu durchbrechen. „Wenn nun die Stadt Weilheim an uns herantritt, um die noch vorhandenen Risiken beim Grunderwerb abzusichern, so zeigt sich daran auch ein Teil des Selbstverständnisses des Verbands Region Stuttgart“, so Koch. 179 Kommunen hätten sich in der Region zusammengeschlossen, weil es Aufgaben gebe, denen vor allem kleinere Kommunen nicht vollumfänglich gewachsen seien. Deshalb sei es folgerichtig zu unterstützen, wenn sich eine kleine Kommune an den Verband wende, um ein Risiko abzusichern, das sie allein nicht tragen könne. „Ja, das Risiko besteht, dass es am Ende mit cellcentric vielleicht doch nicht klappen könnte. Klar ist jedoch, dass ohne unsere Unterstützung das Projekt ziemlich sicher scheitern wird, obwohl es bereits kurz vor dem Ziel steht“, so Koch. Nun gelte es abzuwägen, wie hoch man die Risiken einschätze und welche Chancen mit der Verwirklichung des Gewerbestandorts verbunden seien. „Der Vertrag mit der Stadt würde uns auch im Falle einer Abkehr von cellcentric weitreichende Mitspracherechte sichern, um andere Hochtechnologiefirmen in relativ kurzer Zeit ansiedeln zu können“, so Koch. Daher stimme seine Fraktion dem Vorgehen zu.
Laut Prof. Dr. André Reichel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sei vor knapp drei Monaten klar geworden: „Ohne diese regionale Unterstützung wird es nicht gehen, ohne regionale Unterstützung besteht die sehr reale Gefahr, dass wir keinen regionalbedeutsamen Gewerbeschwerpunkt mit cellcentric bekommen werden“. Als Verband habe man zügig reagiert, für deutsche Verhältnisse unglaublich zügig, so Reichel weiter. Zu den Beträgen, die in der Vorlage genannt seien, betonte er, dass es sich Maximalbeträge im Worst Case handele, die dann der Verband stemme müsse. Dies bedeute konkret, dass der Betrag von den 179 Kommunen in der Region gestemmt werden müsste, aus den Umlagemitteln, die der Region von den Kommunen zufließen. „Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst. Das bedeutet jetzt vor allem für die Stadt Weilheim und unseren Regionalratskollegen Bürgermeister Johannes Züfle: Sie handeln ab jetzt nicht mehr nur für sich, für die Bürger*innen Weilheims, sondern auch für die anderen 178 Kommunen der Region. Damit liegt viel Verantwortung auf ihren Schultern und den Schultern ihres Gemeinderats“, so Reichel. Dieses Vorhaben sei ein Vorhaben für die gesamte Region. „Mit der Ansiedlung von Cellcentric, mit neuen Technologien im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzelle bekommt nicht nur Weilheim einen Schwerpunkt, sondern die ganze Region“, so Reichel. Im kommenden Jahr sollte die Regionalversammlung reflektieren und sich überlegen, inwiefern die Instrumente, die dem Verband zur Verfügung stünden, für die Zukunft ausreichten – oder ob ggf. der Landesgesetzgeber das Verbandsgesetz anpassen und den Sachverhalt eines „regionalen Gewerbegebiets“ inklusive einer regionalen Gewerbesteuer aufnehmen sollte.
„Wir treffen heute eine wichtige Entscheidung. Nämlich darüber, ob wir in diesem Land und dieser Region die Kraft haben, ein wichtiges Gewerbegebiet auf den Weg zu bringen“, betonte Gerd Maisch (Freie Wähler). Dabei sei ihm wichtig klarzustellen, dass im Moment kein Geld von der Region fließen würde. „Wir sichern ab, falls in den nächsten zehn Jahren der Verkauf der Grundstücke nicht oder nicht mit dem Erfolg möglich war, wie wir erwarten“, so Maisch. Seine Fraktion sei jedoch überzeugt: „Das Gebiet wird sich selbst finanzieren.“ Alles wäre einfacher gewesen, wenn alle Grundstücke im Eigentum der Stadt wären und cellcentric bereits einen Kaufvertrag unterschrieben hätte. Leider sei beides nicht der Fall, daher appellierte Maisch an alle Eigentümer: „Stellen Sie Ihre Flächen zur Verfügung, um unser Land, unsere Region ein Stück weit zukunftsfähig zu machen. Die Regionalversammlung sei es der Stadt und der Bevölkerung schuldig, um die beste und gerechteste Lösung zu ringen. Dies sei laut Maisch mit dem eingeschlagenen Weg gelungen.
„Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts“, zitierte Dr. Jürgen Zieger (SPD). Für seine Fraktion seien ökologisch ambitioniert-emissionsarm entwickelte Gewerbegebiete mit guter verkehrlicher Anbindung ein wichtiger Beitrag, den Wirtschaftsstandort Region Stuttgart zu sichern und die hohen Klimaziele der EU zu unterstützen. Das finanzielle Engagement des Verbandes sei exzeptionell, die Risiken vertretbar. Die haushaltsrechtlichen und kommunalrechtlichen Bedingungen seien für Städte in der Größe von Weilheim bei der konkreten Projektdimension zu groß. „Wir gehen fest von der Ansiedlung des Brennstoffzellenwerkes von cellcentric aus. Im Worst Case hätten wir auf jeden Fall eine Fläche für regional bedeutsame Ansiedlungen zur Verfügung“, betonte Zieger. In dem Engagement des Verbandes sehe er auch keinen Präzedenzfall, auf den sich Dritte berufen könnten. „Regional bedeutsame Gewerbegebiete sind und bleiben Einzelprojekte“, konstatierte Zieger.
„Damit die politisch verordnete Energie- und Mobilitätswende nicht mit einem katastrophalen ökonomischen Zusammenbruch wie Detroit endet, müssen neue Wege ermöglicht werden“, so Daniel Lindenschmid (AfD/FR). Die Ansiedlung von cellcentric würde dringend benötigte Arbeitsplätze in der Region schaffen und somit Verluste im wertschöpfenden Bereich an anderen Standorten zumindest auffangen. „Wer ernsthaft davon überzeugt ist, dass der vom Menschen verursachte CO2-Ausstoß wesentlich zu Klimaänderungen beiträgt, sollte sich über die geplante Brennstoffzellenfabrik ganz besonders freuen“, betonte Lindenschmid. Seine Fraktion begrüße den neuen Gewerbestandort und werde sich für dessen Verwirklichung einsetzen. „Das Geld wächst nicht auf den Bäumen, daher ist es zwingend notwendig, wertschöpfende Arbeitsplätze zu schaffen“, resümierte Lindenschmid.
„Die Region Stuttgart ist dabei, nicht nur einen zukunftsweisenden Standort zu gewinnen. Sie gewinnt auch eine neue Aufgabe – und zwar eine Aufgabe, die Unternehmen, die hier ihren Standort haben oder ihn hier wählen, einen Wettbewerbsvorteil im Zusammenspiel mit den Kommunen verschaffen kann“, so Volker Weil (FDP). Die Region könne eine Schlüsselrolle einnehmen, wenn es darum geht, solche Projekte in die Umsetzung zu bringen, nachdem die Bürgerinnen und Bürger ihre Zustimmung gegeben haben. „Unser Wettbewerbsvorteil kann in der angesprochenen neuen Rolle der Region liegen: einer Region, die ihre Stärken zusammenführt, und wenn erforderlich auch sozusagen als Bürgschaftsbank das Risiko eines solchen Projektes minimiert“, resümierte Weil.
„Sieht so ein verlässlicher Partner aus?“, fragte Sebastian Lucke (DIE LINKE/PIRAT). Noch vor dem Karlsruher Urteil zum Bundeshaushalt habe cellcentric seinen Förderantrag zurückgezogen mit der Begründung, dass die Anforderungen zu starr seien, um flexibel auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Seine Fraktion habe daher Zweifel, ob die Region in diesem Fall bis zu 21 Millionen Euro zur finanziellen Absicherung übernehmen solle. „Wir sehen zum heutigen Zeitpunkt das reale Risiko, dass cellcentric in Anbetracht der nach wie vor schwierigen Eigentumsverhältnisse auch hier einen Rückzieher machen wird“, betonte Lucke.