Die Regionalversammlung hat am Mittwoch mehrheitlich den Haushalt des Verbands Region Stuttgart für das Jahr 2023 verabschiedet. 423,5 Millionen stehen im kommenden Jahr für die Weiterentwicklung der Region zur Verfügung. Den Haushaltsentwurf, den Regionaldirektor Dr. Alexander Lahl Ende September eingebracht hat, haben die Fraktionen um 62 Anträge ergänzt. Diese schlagen sich einschließlich weiterer Anpassungen mit knapp 100.000 Euro finanziell nieder und beinhalten insbesondere inhaltliche Ergänzungen.
Um die geplanten Vorhaben in den nächsten Jahren in die Umsetzung zu bringen, sind Erhöhungen bei den Umlagen notwendig, die in den Kommunen und Landkreisen erhoben werden. Insgesamt steigen die Umlagen um rund 16 Prozent auf 113,5 Millionen Euro. Die Verbandsumlage, die von den Städten und Gemeinden getragen wird, steigt dabei um 5,6 Prozent auf 25,6 Millionen Euro. Die mittelfristige Finanzplanung aus dem letzten Jahr wird für 2023 somit um knapp 400.000 Euro (knapp 1,5 Prozent) überschritten, wovon die eingeplanten inflationsbedingten Erhöhungen etwa 250.000 Euro ausmachen. Die Verkehrsumlage steigt um 19,6 Prozent auf 87,9 Millionen Euro. Grund dafür sind höhere Aufwendungen für Angebotsverbesserungen bei der S-Bahn. Bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs legte Lahl den Fokus auf „Weichenstellungen für eine zukunftsresiliente Region.“ Dieses Anliegen ist im Einklang mit den Fraktionen, die ihrerseits zusätzliche Maßnahmen hierfür einbrachten.
Inhaltliche Schwerpunkte der Fraktionen – Klimaresilienz
Über nahezu alle Fraktionen hinweg stand die Klimaresilienz im Fokus der Haushaltsberatungen. So wurde entschieden, ein Konzept auszuarbeiten zur Ausweitung und Vertiefung von Beratungsangeboten für eine klimaresiliente Raum- und Ortsentwicklung. Vorbild hierfür ist das Projekt Klima BB, bei dem der Verband in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Böblingen konkrete Maßnahmen zur klimafesten Ortsentwicklung erarbeitet hat. Das Kofinanzierungsprogramm Landschaftspark Region Stuttgart, mit dem der Verband Städte und Kommunen bei der Schaffung von Naherholungsangeboten unterstützt, wird inhaltlich ergänzt. Künftig sollen Maßnahmen zur Konversion innerstädtischer Hitzeinseln berücksichtigt werden können. Zum sollen Planungsverfahren gründlich betrachten und Beschleunigungspotenziale ermittelt werden. An Bahnsteigen sollen die Potenziale zur Dachbegrünung und Solarenergie eruiert werden.
Mobilität und Tarifsystem
In den letzten Jahren wurden weitreichende Verbesserungen bei der S-Bahn beschlossen. Hierzu zählen der durchgängige 15-Minuten-Takt, die Beschaffung zusätzlicher Fahrzeuge für mehr Kapazität und die Prüfung der Verlängerung der S-Bahn. 2023 liegt der Fokus vor allem auf der Weiterentwicklung des Beratungsangebots und dem Tarifsystem. So wurde beschlossen, Möglichkeiten zur Entwicklung des autonomen Fahrens von Zügen in der Region zu prüfen. Zusätzlich soll die Rekrutierung von Bahnpersonal näher beleuchtet werden, um gegebenenfalls Maßnahmen für eine Reserve zu ergreifen. Eine Mobilitätsberatung und eine polygoAPP sollen den Fahrgästen zudem die Nutzung des ÖPNV vereinfachen. Zudem wurde entschieden, dass sich der Verband angesichts des geplanten 49-Euro-Tickets im VVS-Aufsichtsrat für eine Vereinfachung des Tarifsystems einsetzt.
Transformation und Unterstützung von Kommunen
Zur Unterstützung der Transformation sollen Best-Practice Beispiele aus anderen Regionen vorgestellt und gegebenenfalls ein Netzwerk der Regionen gegründet werden, um schon früh reagieren zu können. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH sollen Wege aufzeigt werden, um dem Fachkräftemangel in Handwerks- und sozialen Berufen zu begegnen. Zudem sollen die Kommunen in der Region bei Bedarf bei der Einwerbung von Fördermitellen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene unterstützt werden. Um die Nahversorgung sicherzustellen, sollen zunächst ein Bericht über bestehende Fördermittel erstellt, der gegebenenfalls durch eine regionale Förderung ergänzt wird.
Stimmen der Fraktionen
Roland Schmid (CDU/ÖDP) betonte, dass seine Fraktion sich auf die Pflichtaufgaben festlegen wolle und deshalb auf ausgabenwirksame Anträge verzichtet habe. Eine Pflichtaufgabe sei die Trägerschaft für die S-Bahn. „Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sind ein hohes Gut, das wir einfordern wollen und müssen“, so Schmid. Mit dem modernen Zugleitsystem ETCS sei ein erster wichtiger hierfür Schritt getan. Der nächste Schritt müsse eine stärkere Automatisierung des Zugverkehrs und damit eine Verringerung personalbedingter Ausfälle sein. „Dazu wollen wir mit unserem Antrag ‚Autonom in die Zukunft fahren‘ beitragen. Zum Individualverkehr habe die CDU/ÖDP keine Anträge gestellt, „weil wir beim Verkehrsminister keinerlei Bereitschaft sehen, sich einem optimierten Nord-Ostring und einer Filderauffahrt zu öffnen und damit seiner Gesamtverantwortung gerecht zu werden.“ Um die Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zu schaffen, fehle es in der Region an Flächen. „Wer Arbeitsplätze sichern und schaffen will, darf also nicht auf Bestandsflächen starren, sondern muss auch dazu bereit sein, neue Gewerbeflächen zu entwickeln, anstatt sie zu verhindern“, so Schmid. Daher wolle die CDU/ÖDP mit Ihrem Antrag, vorhandene Verkehrstrassen zu überbauen und dadurch Flächen für Gewerbe und Wohnen zu schaffen, Impulse geben.
Prof. Dr. André Reichel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betonte, dass in der Regionalversammlung bereits 2004 drei Schwerpunktthemen benannt wurden:
Der demografische Wandel, die Globalisierung sowie Klimaschutz und Nachhaltigkeit. „Der Verband Region Stuttgart setzt mit seiner Arbeit Akzente, da kann im Jahr 2022 der Klimaschutz keine Kür sein“, so Reichel. Beim Thema Klimaschutz und Klimaneutralität sei die Region gefragt mitzuhelfen. „Jede politische Ebene hat ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten!“ Hoch erfreut zeigte sich Reichel, dass die Verwaltung in vielen Punkten proaktiv Ansätze hierfür aufgegriffen habe. Leider sei eine Mehrheit den Vorschlägen der Verwaltung nicht gefolgt, ohne zu sagen, was man wolle. Wenn der Antrag seiner Fraktion zur rechtlichen Prüfung wie der Verband selbst für eine klimaneutrale S-Bahn sorgen könne, keine Mehrheit bekomme, dann würde sie den Haushalt ablehnen. „Beim Klimaschutz kommen wir nicht vom Fleck, weshalb wir ein Bekenntnis setzten müssen, dass wir Klimaschutz und unsere Aufgabenträgerschaft für die S-Bahn ernst nehmen.“
Andreas Hesky (Freie Wähler) griff das Wort des Jahres „Zeitenwende“ auf und fragte: „Wo ist die Zeitenwende im Haushalt des Verbandes?“ Seine Fraktion könne diese nicht erkennen, da vieles schon in Vergangenheit beschlossen worden sei. Beispielhaft nannte er das ÖPNV-Investitionsprogramm, welches den Klimaschutz mit einem gigantischen Volumen auf die Schiene setze. Deswegen müsse mit Nachdruck ein Ausbauprogramm für die nächsten zehn Jahre von der Regionalversammlung beschlossen werden. Hesky bekräftigte zudem die positive Grundeinstellung der Freien Wähler zur Windkraft. „Die Priorisierung der erneuerbaren Energien mit der Öffnung der Regionalen Grünzüge ist notwendig und richtig. Da erkennt man den Hauch einer Zeitenwende. Bis zu einer richtigen Energiewende ist es aber noch lange hin“, so Hesky. Nicht, weil das Geld fehle, sondern der Wille von Land und Bund, die dafür notwendigen Gesetze zügig zu verabschieden fehle.
Laut Thomas Leipnitz (SPD) lohne es sich in den Haushaltsberatungen auf das Wesentliche zu konzentrieren und manchmal seien weniger Anträge offenbar mehr. Erfreulich sei, dass dem Antrag der SPD, sich verstärkt dem Thema der Entsorgung mineralischer Abfälle zu widmen, zugestimmt wurde. „Auch wie wir unsere Kommunen bei den notwendigen Entscheidungen zum Thema Bewältigung des Klimawandels unterstützen können, war uns nach dem Erfolg des Berichts im Landkreis Böblingen ein wichtiges Thema“, so Leipnitz. Mit Berufung auf Willy Brandt resümierte Leipnitz: ‚Wer Gutes bewirken will, muss sich stets auf Höhe der Zeit befinden.‘ Seine Fraktion sei sich sicher, dass mit diesem Haushalt Gutes im Sinne der Menschen in dieser Region bewirkt werden könne.
Klaus Mauch (AfD/FR) kritisierte die Regionalversammlung, deren Aufgabe die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Region sei. Davon habe man sich leider teilweise verabschiedet. „Im Namen der Klimarettung nimmt man bedenkenlos in Kauf, dass die Energieversorgung immer unsicherer und teurer wird“, so Mauch. Vielen sei es offenkundig egal, dass Unternehmen zur Abwanderung oder Aufgabe gezwungen würden, dass die Arbeitslosigkeit durch die Zerschlagung der Automobilindustrie dramatisch steigen würde und infolgedessen Armut und Elend um sich greifen würden. Deswegen verweigere sich seine Fraktion allen Anträgen, deren einziges Ziel sei, die Klimaerwärmung zu verhindern. „Denn das ist unmöglich und unnötig. Der Mensch muss sich stattdessen durch geeignete Klimamaßnahmen dem Klimawandel anpassen.“
„Wir haben einen Haushalt für 2023 auf die Beine gestellt. Wir hoffen, dass uns dieser nicht auf die Füße fällt, weil wieder irgendjemandem auf der Welt vorher Undenkbares einfällt.“, betonte Kai Buschmann (FDP). Dabei gebe es zwei Knackpunkte: Die Entwicklung im ÖPNV und die Deponiediskussion. Beim 49-Euro-Ticket hätten die Verkehrsminister der Länder und die Verkehrsanbieter hart gepokert. So hart, dass es nicht zum 1. Januar 2023 eingeführt werden könne. Folglich würden in der Region erst mal die Ticketpreise steigen. Die gestrige Einigung auf einen regionalen Suchlauf für einen Deponiestandort sei sehr zu begrüßen. Wer jetzt aber auf andere Landkreise zeige, sollte wissen, was er tut. „Man kann nicht Wohnungsbau und Innenentwicklung fordern und gerade den daraus erzeugten Bodenaushub und Bauschutt nicht haben wollen“, so Buschmann.
Laut Wolfgang Hoepfner (DIE LINKE/PIRAT) habe man sowohl bei der Einbringung des Haushalts als auch bei der Beratung die Krisenhaftigkeit betont, was sich in den Anträgen und Beschlüssen kaum spiegle. „Ein Antikrisenprogram der Region, dass den sozialen und ökologischen Herausforderungen dieser besonderen Zeit gerecht wird, ist nicht erkennbar.“
Es wundere ihn nicht, dass soziale Themen wie ein Behindertenbeauftragter oder ein Sozialticket abgelehnt wurden. Es gebe auch positives wie die nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten im Bestand und die Sicherung von Flächen zu Baustoffrecycling und die Untersuchung von Geothermiepotenzialen in der Region. Aus diesem Grund werde seine Fraktion den Haushalt nicht ablehnen, sich aber enthalten.
Schaubild Haushalt 2023
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