Das Jahr 2023 war für die S-Bahn geprägt von schwierigen Rahmenbedingungen. Mit einem leichten Rückgang von 102,5 Millionen auf 101,5 Millionen sind die Fahrgastzahlen zwar stabil geblieben, allerdings immer noch nicht auf dem Rekord-Niveau von 2019 mit knapp 133 Millionen Fahrgästen. In der Sitzung des Verkehrsausschusses des Verbands Region Stuttgart am Mittwoch wurden die aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2023 im Detail vorgestellt und über die Konsequenzen für die kommenden Jahre diskutiert.
„Die Fahrgastzahlen zeigen, dass die Fahrgäste die S-Bahn nachfragen und der S-Bahnverkehr seine Potenziale hat. Unter den aktuellen Bedingungen ist es jedoch sehr schwer, neue Fahrgäste zu gewinnen“, so Dr. Jürgen Wurmthaler, leitender Direktor für die Bereiche Wirtschaft und Infrastruktur. „Ich setzte drauf, dass der Samstagsverkehr wieder zum Laufen kommt, denn da ist die deutlichste Zunahme, genau wie im Abendverkehr.“
Variierende Zahlen über das Jahr
Hintergrund der aktuellen Zahlen sind vor allem die vielen Baustellen im Netz. In den ersten vier Monaten des Jahres lagen die Einsteigerzahlen noch deutlich über denen des Vorjahres, im Januar sogar um 37 Prozent. Für die schwächeren Zahlen ab Mai sind vor allem die Ausbauarbeiten zum digitalen Knoten Stuttgart verantwortlich, für die wochenlang Streckenabschnitte im Bereich Bad Cannstatt – Waiblingen gesperrt wurden. Der sommerferienbedingte Einbruch war 2023 stärker als 2022. Ab September gelang es dagegen wieder, die Vorjahreswerte zu halten und sogar zu übertreffen.
Besonders in den Morgenstunden zwischen 7 und 8 Uhr sind die Fahrgastzahlen im Vergleich zu 2019 geringer. Bei den Abendstunden ist teilweise kaum eine Differenz zu verzeichnen. Das hängt auch mit sich verändernden Arbeitsbedingungen der Fahrgäste und zunehmendem Homeoffice zusammen. Dennoch konnte 2023 auf der Stammstrecke im Vergleich zum Vorjahr ein Zuwachs der Auslastung erreicht werden. Zudem wurden mittlerweile alle Züge mit WLAN ausgestattet. Ungefähr 25 Prozent aller Fahrgäste nutzten dieses Angebot.
Deutschlandticket mit positivem Effekt
Das Deutschlandticket hatte insgesamt einen positiven Effekt auf die Entwicklung der Fahrgastzahlen. Ebenso hat der attraktive Preis einen großen Teil der Kunden dazu bewegt, mittels des Zeitticket-Zuschlags die erste Klasse zu nutzen. Für diese konnte 2023 ein finanzieller Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr erreicht werden. Dennoch steht dem Verband Region Stuttgart sowie den Landkreisen ein mögliches Defizit für die Finanzierung des Deutschlandtickets bevor. Insbesondere für das Jahr 2025 werden erhebliche Mehrkosten hinzukommen, sofern der Bund die Ausgleichsleistungen für das Ticket nicht erhöht oder das Defizit durch andere Faktoren, wie zum Beispiel durch eine Preisanpassung verringert werden kann.
Stimmen der Fraktionen
„Das Deutschlandticket hat zu Zuwächsen geführt, aber es bleibt die berechtigte Sorge, wie es 2025 weitergeht“, so Rainer Ganske (CDU/ÖDP). „Man habe steigende Kosten bei den Unternehmen, die das Land nicht finanzieren wolle und von den Aufgabenträgern gedeckt werden müssten. Wenn aber die Aufgabenträger die Tarife nicht gestalten dürften, dann führe das zu Ausgleichszahlungen, die den Städten und Gemeinden jeden Spielraum raubten, weil alle Gelder in den Kostenausgleich fließen müssten. „Wir brauchen eine dauerhafte Lösung, die kein Strohfeuer ist, sondern den positiven Brand, den das Deutschlandticket entfacht hat, am Laufen hält“, forderte Ganske.
„Die Fahrgastzahlen zeigen, dass der Schienenersatzverkehr nicht angenommen wird und nicht funktioniert“, attestierte Philipp Buchholz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) „Es ist wichtig, jetzt Vorkehrungen für die kommenden Stammstreckensperrungen zu treffen, insbesondere für 2026, wenn die Panoramabahn nicht genutzt werden kann“, forderte Buchholz. Ihm sei ein schienengebundener Ersatzverkehr wichtig, weshalb er appellierte, jetzt schon dafür Vorkehrungen zu treffen, dass die U1 in dieser Zeit nach Vaihingen fahre. Durch das Deutschlandticket konnte ein Fahrgastzuwachs von acht Prozent erreicht werden. „Danke an alle Fahrgäste, die unserer S-Bahn trotz allem treu bleiben“, so Buchholz.
Bernhard Maier (Freie Wähler) hatte gehofft, mit dem Antrag zu den Folgen des Deutschlandtickets Licht ins Dunkel zu bringen. „Dieses Dunkel ist nicht aufzuhellen. Die Risiken sind gewaltig und das Deutschlandticket ein politischer Schnellschuss, der nicht nachhaltig gedacht wurde“, so Meier. Die Folgen würden langsam, aber sicher sichtbar. Das Risiko bleibe bei den Kommunen, den Landkreisen und dem Verband Region Stuttgart. „Wir werden zu Bittstellern, weil man uns die Tarifhoheit genommen hat“, betonte Meier.
Laut Michael Makurath (SPD) belegten die Zahlen, wie wichtig die Zuverlässigkeit des Angebots für die Akzeptanz durch die Fahrgäste sei. „Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit brauchen eine sichere Finanzierung“, so Makurath. Er habe die klare Erwartung, dass der Ausgleich der Einnahmeausfälle zuverlässig und nicht nur temporär stehe. Auch wenn es einen Zuwachs bei der ersten Klasse gebe, so „sucht die erste Klasse erfolglos nach einer Nachfrage“. Im Vergleich dazu sei die WLAN-Nutzung ein echter „Gassenhauer“.
Für Holger Dorn (AfD/FR) sei der Einbruch der Fahrgastzahlen nicht überraschend. Diejenigen, die auf verlässliche Mobilität angewiesen sind, wählen das verlässlichste Angebot“, so Dorn. Es gebe aber ein großes Fahrgastpotenzial, daher sei der Auftrag jetzt die Basis für das Anwachsen der Fahrgastzahlen vorzubereiten. Ohne Kostenübernahmen durch den Bund und das Land sei dies aber nicht machbar.
„Die Fahrgastzahlen haben nichts mit Pünktlichkeit zu tun, sondern mit einer gesellschaftlichen Entwicklung zum Homeoffice“, so Gabriele Heise (FDP). Die Zuwächse würden zeigen, dass der Weg, den man mit dem Deutschlandticket eingeschlagen habe, richtig sei. „Die Zuwächse von acht Prozent sind nicht das Ende der Fahnenstange“, so Heise. Man müsse aber auch anerkennen, dass das Auto seine Berechtigung habe und Bedarf bestünde.
„Die schlechte Entwicklung der Fahrgastzahlen liegt an der Unzuverlässigkeit und Sperrungen“, so Michael Knödler (DIE LINKE/PIRAT). Das Deutschlandticket sei in der Region ein Erfolg, das sehe man auch an den gestiegenen Abonnierendenzahlen. Die Risiken seien jedoch da, solange die Finanzierung nicht geklärt sei.