Die Zukunft der S-Bahn
Die Schiene ist die Zukunft: Immer mehr Menschen wollen aus den unterschiedlichsten Gründen den ÖPNV nutzen. Umso wichtiger ist es, durch Kapazitätssteigerungen dieser Nachfrage gerecht zu werden. Der weitere Ausbau von Infrastruktur ist in den Ballungsräumen zunehmend schwierig. Darüber hinaus bedeuten engere Fahrpläne und mehr Züge auf den Schienen aber auch potenziell mehr Störanfälligkeit. Um all diese Anforderungen geschickt zusammenzuführen haben sich der Verband Region Stuttgart und die DB Regio S-Bahn Stuttgart für eine ganz besonderen Lösung entschieden:
Das für den Hochgeschwindigkeitsverkehr entwickelte, europäisch standardisierte Zugbeeinflussungssystem ETCS (European Train Control System) soll erstmals in Deutschland für hoch belastete S-Bahn-Bereiche eingesetzt werden. Mit dem neuen Stuttgarter Hauptbahnhof und dem S-Bahn-Netz in der Region Stuttgart wird im Rahmen des Projekts Digitaler Knoten Stuttgart erstmals ein großer Eisenbahnknoten mit Digitalen Stellwerken und dem europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS ausgestattet. Der Knoten ist ein Pilotprojekt im Rahmen des Starterpakets der „Digitalen Schiene Deutschlands“.
Was ist ETCS?
Mit ETCS werden Zugfahrten auf dem Streckennetz kontrolliert und beeinflusst. Das Stellwerk überwacht, ob ein Zug einen Gleisabschnitt befahren darf. In Stuttgart soll ETCS-Level 2 ohne Signale (oS) eingeführt werden. ETCS-Level 2 (oS) übernimmt die Signalisierung und Zugbeeinflussung gibt somit auch die Geschwindigkeit der Züge vor. Hierbei kann auf die konventionellen Signalanlagen entlang der Strecke verzichtet werden. Die Streckensignale existieren nur noch virtuell, und die entsprechenden Informationen werden dem Triebfahrzeugführenden im Voraus direkt im Führerstand angezeigt. Die Datenübertragung verläuft kontinuierlich und in beide Richtungen.
Welche Auswirkungen hat das neue System auf die S-Bahn?
Mit ETCS-Level 2(oS) können die Züge dichter hintereinander in die Bahnhöfe und Stationen einfahren. Dadurch können vorausgegangene Haltezeitüberschreitungen deutlich besser kompensiert werden. Ein „Aufschaukeln“ von Zugverspätungen wird verringert. Darüber hinaus bietet die Einführung von ETCS die Grundlage für eine Geschwindigkeitserhöhung auf der Stammstrecke, die dazu dienen kann Verspätungen abzubauen.
Auf der besonders hoch belasteten S-Bahn-Stammstrecke werden z. B. bis zu 30 Meter kurze Blöcke gebildet. Allein dadurch kann die Zugfolge um rund eine halbe Minute reduziert werden. Weitere Optimierungen sind möglich. So können zum Beispiel durch die Einführung von teilautomatisiertem Fahren (ATO GoA 2) in Verbindung mit einem Traffic Management System weitere Potentiale gehoben werden.
Um das dichtere Befahren des Netzes auch effektiv umsetzen zu können, hat der Verband Region Stuttgart insgesamt 58 neue Züge beschafft, die für die notwendige Kapazitätserhöhung im Netz sorgen werden.
Wie erfolgt die Umsetzung?
Die neue Technik wird Schritt für Schritt in Betrieb genommen. Für die S-Bahn bedeutet dies, dass auf dem Abschnitt zwischen Vaihingen und Filderstadt ab Mai 2026 zum ersten Mal in Deutschland S-Bahnen auf einer Strecke ohne Signale verkehren werden. Dort kann die neue Technik dann ETCS auf Herz und Nieren getestet werden, bevor im September 2026 der Kern des Knotens unter hohen Leistungsanforderungen mit ETCS in Betrieb genommen wird.
In den Folgejahren kommen dann unter anderem ATO GoA 2 (eine Art ferngesteuerter Tempomat), ein Verkehrsmanagementsystem (CTMS) und der neue Bahnbetriebsfunk FRMCS zum Einsatz.
Welche Angebotserweiterungen sollen mit ETCS umgesetzt werden?
Die neuen Möglichkeiten mit ETCS sollen direkt beim S-Bahn-Reisenden ankommen. Neben einer deutlichen Stabilisierung des S-Bahn-Fahrplans sind zunächst Ergänzungen im Kernbereich geplant. Mit Inbetriebnahme der neuen Technik sollen vier weitere Züge in der Stunde aus dem Nordast über die Schwabstraße hinaus bis nach Stuttgart-Vaihingen fahren. Zwei weitere davon bis Böblingen. Viele Fahrgäste müssten dann am Hauptbahnhof nicht mehr umsteigen, was den Betriebsablauf dort weiter stabilisieren helfen kann.
Wie wird ETCS finanziert?
Wie üblich bei einem so großen Projekt setzt sich die Finanzierung aus unterschiedlichen Bausteinen zusammen:
Bund
Als Teil des Programms „Digitale Schiene Deutschlands“ wurden Fördermittel des Bundes akquiriert.
Land
Teilnahme an einem Förderprogramm im Rahmen von Luftreinhaltung. Hierzu fördert das Land unter anderem die Anschaffung von 47 S-Bahn-Fahrzeugen mit rund 106 Millionen Euro. Zudem fördert das Land den Betrieb für die Verkehrsverbesserungen über eine Erhöhung der jährlichen Regionalisierungsmittel um 0,8 Prozent auf 9,9 Prozent ab dem Jahr 2021. Der Einbau von ETCS und Investitionen in die Infrastruktur, welche der Bund nicht übernimmt, werden ebenfalls gefördert. Nach eigenen Angaben beteiligt sich die Landesregierung mit insgesamt circa 330 Millionen Euro.
Region Stuttgart
Für die Phase der Erprobung und Zulassung der neuen Technologie wurde der Vertrag des Verbands Region Stuttgart mit der DB Regio über den Betrieb der S-Bahn bis Juni 2032 verlängert. Zudem wurde er für das erweiterte Angebot angepasst. Wichtigster Eckpunkt der Vertragsverlängerung ist die Beschaffung von 58 Neufahrzeugen. Für deren Finanzierung und die Fahrzeugausstattung mit ETCS nimmt der Verband Region Stuttgart einen Kredit von rund 380 Millionen Euro auf. Diesen finanziert er über die Jahre 2020 bis 2032, also bis zum Ende der Laufzeit des verlängerten Verkehrsvertrags.
DB Regio
Die DB Regio rüstet alle 215 S-Bahn-Fahrzeuge mit ETCS aus und übernimmt dafür einen Kostenanteil.
Europäische Union
Die Europäische Union fördert unter anderem die Fahrzeugumrüstung im Rahmen des Projekts Connecting Europe Facility.
Zurück zur Übersicht S-Bahn